Sturmwarnung

Sie meinten, jetzt wäre es so weit. Nun könnte der Umsturz gelingen. So erinnert es auch Tamara K., Heilpraktikerin – und damals eine führende Figur der Protestbewegung. Die Frau mit den Dreadlocks war aus der Eifel nach Berlin gereist: Es würde ein historischer Tag, war sie sich sicher. Am frühen Abend des 29. August 2020 stand sie dann auf einer Bühne vor dem Reichstag. Wie andere hatte sie in Chatgruppen davon gelesen, dass Donald Trump kommen werde, der damalige US-Präsident. Und nun rief sie die Botschaft von der Bühne: Trump werde helfen, die illegitime Bundesregierung zu stürzen.

Von dort oben muss sie erkannt haben, dass sich in den Polizeireihen zwischen Demonstration und Reichstag eine Lücke auftat. K. rief: Die Deutschen müssten ein Zeichen setzen! Sich auf der Treppe des Reichstags friedlich versammeln! Hunderte brachen auf, jubelten – und wurden kurz darauf doch wieder durch die Polizei von der Treppe heruntergedrängt. Sie hatten ein Zeichen gesetzt, und was für eins.

Die Bilder und Videos vom versuchten Sturm auf den Reichstag, der am Sonntag ein Jahr zurückliegt, zeigten eindrucksvoll, wie schnell die Demokratie angegriffen werden kann. Reichsflaggen wehten vor dem Parlament, die Öffentlichkeit war bestürzt. Am Tag darauf telefonierte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) mit Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU). Und alle fragten sich: Was genau war eigentlich geschehen – und wie konnte das passieren?LESEN SIE AUCH

Eine Analyse von WELT zeigt, dass die Demonstranten offenbar geschickt eine Situation ausnutzten, in der die Polizei überfordert war. Wichtiger ist aber, was der Tag bei den deutschen Sicherheitsbehörden auslöste: Seither blicken sie noch wachsamer auf jene Menschen, die auf den Straßen gegen Corona demonstrieren – und der eine oder andere, der auf der Reichstagstreppe dabei war, bekam dies auch zu spüren.

Fast 40.000 Menschen waren an jenem Wochenende nach Berlin gekommen, die meisten, um gegen die Corona-Politik der Regierung zu demonstrieren. Mit dabei: die NPD, die Partei Die Rechte, der III. Weg, Mitglieder der Identitären Bewegung, der AfD, der Jungen Alternativen. Und natürlich Anhänger der Reichsbürgerszene. Aber die Menge war vielfältig, auch Ökos, Esoteriker oder ganz normale Bürgerliche waren dabei. Was sie einte, war die außergewöhnlich starke Abwehrhaltung gegenüber der Corona-Politik.

Schon vor dem Eklat beobachteten die Sicherheitsbehörden intensiv, was sich im Internet zusammenbraute. Es waren Hinweise eingegangen, wonach Rechtsextremisten und Reichsbürger beabsichtigten, den Reichstag zu besetzen. Das behauptet auch Tamara K. ein Jahr danach im Gespräch mit WELT: „Wir hatten bereits mehrere Wochen vor der Demo den Plan gemacht, den Reichstag zu stürmen.“ Man habe sie gefragt, ob sie bereit wäre, als letzte Rednerin auf die Bühne zu gehen und zum Sturm aufzurufen. „Ich hatte Ja gesagt“, erzählt sie. Um 21 Uhr sollte es so weit sein. Ein Mann bei der Berliner Polizei habe dafür sorgen wollen, dass das Gebäude „im richtigen Moment“ ungeschützt sei. Sie habe jedoch am Nachmittag der Demo dann Angst bekommen, dass eine wirkliche Erstürmung eskalieren könnte und ohne Absprache den Plan geändert. Statt zum „Sturm“ rief sie die Demonstranten auf, sich friedlich auf die Treppe zu setzen. Damit habe sie Gewalt oder sogar Tote verhindern wollen. So lautet jedenfalls ihre Version.

(Lesen Sie hier den gesamten Text)

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