So viele tot, so wenige zuständig

Als die Flut kam, trafen sich Männer und Frauen im Kreishaus in Bad Neuenahr-Ahrweiler – die Technische Einsatzleitung, TEL. Aber dieser Krisenstab in seinem Keller bekam von der Eskalation draußen wenig mit. Immer wieder brach der Handyempfang ab, der Kontakt zu den Feuerwehren im Einsatz auch. Die Wucht der Zerstörung, sagten TEL-Mitglieder später, sei ihnen erst klar geworden, als sie am Morgen den Keller verließen.

Die Flut am 14. Juli 2021 riss mit, was ihr im Wege stand: Häuser, halbe Orte, Menschen – 134 starben allein im Ahrtal. Nun sucht ein Untersuchungsausschuss nach der rechtlichen und politischen Verantwortung. Und die Staatsanwaltschaft Koblenz ermittelt gegen zwei Männer aus dem Ahrtal: den Landrat und seinen Einsatzleiter in jener Nacht, einen Feuerwehrmann.

Eine Recherche von WELT AM SONNTAG zeigt jedoch, dass die Lage komplexer war – und ein Teil der Verantwortung wohl bei der Landesregierung zu suchen ist.

Auf den ersten Blick scheint die Lage klar: Für Katastrophenschutz sind Kreise und kreisfreie Städte zuständig. So regelt es ein Gesetz in Rheinland-Pfalz. Und so argumentiert die Staatsanwaltschaft. Darum ermittelt sie wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Tötung und fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassen bislang gegen den Landrat Jürgen Pföhler und seinen Einsatzleiter.

Der Vorwurf: Beide hätten zu spät gehandelt. Schon kurz nach 17 Uhr, spätestens aber nach einer klaren Hochwasserprognose um halb neun, hätte man warnen und evakuieren müssen. Evakuierungen sollen aber erst kurz nach 23 Uhr angeordnet worden sein.

Im Mittelpunkt der Vorwürfe steht der Landrat: Er kam nur zwei Mal im Krisenstab vorbei. Während der Einsatzleiter versuchte, etwa Hubschrauber zu organisieren, sahen Zeugen den Landrat zu Hause. Pföhler soll Nachbarn zudem früher als die Allgemeinheit gewarnt haben. Sein Anwalt aber erklärt: Der Landrat habe keine Pflichtverletzung begangen, da die Zuständigkeit nicht bei ihm gelegen habe. Sondern beim Land.

Die Staatsanwaltschaft sieht derzeit jedoch keinen Anfangsverdacht gegen Vertreter des Landes. Der Leitende Oberstaatsanwalt sagte im U-Ausschuss: Laut Gesetz sei der Landrat für Katastrophenereignisse verantwortlich. Diese Aufgabe habe die Kreisverwaltung an dem Abend an den Einsatzleiter delegiert. Aber: Ist die Frage der Zuständigkeit damit beantwortet?

Vielleicht hätte die zentrale Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion in Trier eingreifen müssen, die ADD – sie hatte den besten Überblick, wie Aussagen nahelegen. In der ADD wollte am Tag der Flut ein Brandrat eigentlich um 17 Uhr Feierabend machen. Daraus wurde nichts. Erst gab es eine Besprechung mit dem Feuerwehrtechnischen Dienst, weil absehbar gewesen sei, dass es zu einem Unwetter komme, erzählte der Brandrat Ermittlern nach Informationen dieser Zeitung.

(Lesen Sie hier den gesamten Text)

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